Hausaufgaben sinnvoll – mit Einschränkungen!

Das Progymnasium hatte zum „4. Runden Tisch“ die Erziehungswissenschaftlerin Dr. Britta Kohler eingeladen
Sind Hausaufgaben notwendig? Sollen Eltern helfen? Erbringen sie den erwünschten Erfolg in der schulischen Entwicklung?

Der volle Musiksaal des Progymnasiums beim „4. Runden Tisch“ mit der Erziehungswissenschaftlerin Dr. Britta Kohler zeigte deutlich das große Interesse an diesem Thema, zumal es gerade in den Familien oftmals als belastend empfunden wird. Dort werden vor allem die zeitliche Belastung, die damit verbundene soziale Isolation und die daraus häufig entstehenden familiären Konflikte als sehr kritisch beurteilt.

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„Hausaufgaben werden in ihrer Bedeutung häufig stark überschätzt.“ Dieses allgemeine Urteil von Dr. Britta Kohler erstaunte sowohl manche der anwesenden Lehrer als auch viele Eltern und Schüler.

Obwohl Studien nicht pauschal, sondern individuell bewertet werden müssten, hätten Forschungsergebnisse ergeben, dass die leistungssteigernde Wirkung von Hausaufgaben relativ gering sei. Eine Untersuchung in Mathematik über vier Monate in den Kantonen Schwyz und Zug (in den Klassen 4 und 6) zum Beispiel hätte sogar ergeben, dass bei Wegfall der Hausaufgaben und nur einer Unterrichtsstunde mehr pro Woche eine vergleichbare Effizienz erreicht werden konnte.

Ein weiterer Aspekt sei, dass die Hausaufgaben meist  für alle gleich, aber damit für die einen zu leicht und für andere wiederum zu schwer sind. Außerdem prägten weitere Faktoren, wie die Bedingungen im Elternhaus oder des Schulsystems, nach Angaben der Wissenschaftlerin den Lernerfolg der Schüler. Ihr Fazit sei, dass didaktisch sinnvolle und pädagogisch verantwortbare Hausaufgaben einen außerordentlich hohen Anspruch bedeuteten. Falls dies nicht geleistet werden könne, sei ein Verzicht auf Hausaufgaben häufig sinnvoller.

Entscheidend aus der Perspektive der Lernzeit sei auch der „Netto-Zeitgewinn“. Werde für das Stellen, Kontrollieren und Auswerten der Hausaufgaben mehr Zeit verwendet als für ihre Anfertigung oder würden die Hausaufgaben unter Zeitdruck erstellt und danach weder kontrolliert noch besprochen, könnten sie ihre mögliche Wirkung nur schwer entfalten. Aus dieser Sichtweise sei es sinnvoller, Übungsphasen in den Unterricht zu integrieren und dabei einzelne Lernende sorgsam zu unterstützen.

Dennoch seien Hausaufgaben aktuell ein wichtiger Bestandteil. Wichtig sei dabei, den Umgang mit Hausaufgaben dem Alter und der Entwicklung der Lernenden, ihren Möglichkeiten und Bedürfnissen anzupassen.

Darüber hinaus stelle sich auch die Grundfrage, ob Eltern helfen sollten. Vorliegende Forschungsergebnisse zeigten, dass sich Elternhilfe häufig ungünstig auswirke. Auch konnte bis heute nicht gezeigt werden, dass Kinder aus sogenannten bildungsfernen oder ökonomisch schlechter gestellten Elternhäusern benachteiligt seien. Insgesamt gelte für Hausaufgaben und elterliche Hilfe die Frage nach der Qualität.

Im Prinzip sollten Hausaufgaben so gestellt sein, dass sie ohne fremde Hilfe erledigt werden können. Eine Unterstützung, die vom Schüler entweder als ungebetene Einmischung oder gar Überwachung erachtet werde, könne sehr problematisch sein. Hilfreich sei, wenn Unterstützung so gering wie möglich ausfalle, die Selbständigkeit fördere und Eigenständigkeit zulasse. Kohlers schlussfolgerung war: „Fast alle Eltern meinen es gut, nur wenige handeln konstant so.“ Dabei sei die Frage der Elternhilfe allerdings auch in hohem Maße vom Handeln der Lehrkräfte abhängig. Hier sei die Schule in Bezug auf Qualität und Quantität gefragt – die Eltern nur für die Lernatmosphäre, also das Grundgerüst.

Bei der anschließenden Diskussion war sowohl Skepsis als auch Zustimmung zu spüren. Nach Ansicht von Dr. Matthias Hoffmann bleibe dieses Thema aktuell. Gerade eine kleine Schuleinheit wie das Progymnasium sei dank der kurzen Wege und engen Beziehungen geradezu dafür geschaffen, dieses Thema in angemessener Weise anzugehen. Eine Hausaufgabe, die sich bestimmt für alle lohne.

Abschließend lobte Dr. Britta Kohler die anwesenden Schüler für ihren Mut und ihre objektive Art und Weise, zu argumentieren und ihren Standpunkt in dieser Sache klar darzulegen.

Textquelle: Artikel von (bb), erschienen in der SZ : 13.03.2014 21:20 (SZ online),

Die Textquelle wurde von Martin Gabel für die Schulhomepage überarbeitet und teilweise abgeändert.

Bild: Britta Kohler

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Frau PD Dr. Britta Kohler ist seit 2009 Akademische Rätin am Institut für Erziehungswissenschaft der Universität Tübingen (Abteilung Schulpädagogik).

Sie ist zuständig für die Beratung von Lehramtsstudierenden mit Fragen bzgl. der Pädagogischen Studien, des BWBS sowie des Faches Erziehungswissenschaft und auch für die Studienberatung im Bereich der Schulpädagogik in anderen Studiengängen.

Ihre Arbeitsschwerpunkte sind im Bereich der empirischen Unterrichtsforschung, der Schulleistungsstudien und der Hausaufgaben angesiedelt.

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Literaturempfehlung:

 

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