Herr Gabel in Manila

Von unserem Auslandslehrer Martin Gabel erreichten die Schule erste Nachrichten.

Er ist gut angekommen und fährt öfters mit den öffentlichen Transportmitteln in die Schule, hier mit einem Tricycle, einem Dreirad, manchmal mit einem Fahrrad angetrieben oder, wie hier, mit einem Motorrad.

Zur Ausstattung des Stv. Schulleiters gehört natürlich notwendig neben der Tropenuniform ein Schirm, in der Regenzeit eher für den Regen, in der Trockenzeit für die Sonne. Jetzt ist gerade Regenzeit und trotz der Abkühlung durch den Regen ist es weiterhin ziemlich warm: 30 Grad im Schatten.

Herr Gabel lässt alle Kollegen, Schüler und Eltern herzlich grüßen.

 

 

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Der folgende Artikel der SZ darf mit freundlicher Erlaubnis der Schwäbischen Zeitung, Annette Grüningers und des Photographen hier – leicht bearbeitet – wiedergegeben werden.

LOKALES

sz

„Wir haben die Chance genutzt“

Der Gymnasiallehrer Martin Gabel wechselt vom Buchauer Progymnasium an deutsche Schule in Manila

Bald heißt es Abschied nehmen: Mina und Martin Gabel mit ihren Söhnen Adrian (links) und Fabian. Ein solches Familienbild ist erst wieder an Weihnachten möglich. Dann wollen die Söhne, die beide Mathematik in Darmstadt studieren, ihre Eltern in Manila besuchen.
Bald heißt es Abschied nehmen: Mina und Martin Gabel mit ihren Söhnen Adrian (links) und Fabian. Ein solches Familienbild ist erst wieder an Weihnachten möglich. Dann wollen die Söhne, die beide Mathematik in Darmstadt studieren, ihre Eltern in Manila besuchen.

Foto: privat

Bad Buchau (sz) Der letzte Schultag war für Martin Gabel ein ganz besonderer Tag. Denn nach den Sommerferien kehrt der Lehrer für Deutsch, Englisch, Geschichte, Gemeinschaftskunde, Ethik, Philosophie und Spanisch nicht an das Progymnasium Bad Buchau zurück. Der 57-jährige aus Erisdorf wechselt für mindestens drei Jahre an die Deutsche Europäische Schule in Metro-Manila. Kurz vor seiner Abreise berichtete Martin Gabel der SZ-Redakteurin Annette Grüninger von seiner neuen Herausforderung.

SZ: Herr Gabel, vor elf Jahren sind Sie mit Ihrer Familie für sechs Jahre nach Mexiko ausgewandert. Nun scheint Sie wieder das Fernweh gepackt zu haben. Wie ist es dazu gekommen?

Gabel: Das Progymnasium in Bad Buchau war für mich eine traumhafte Schule, trotzdem blicken ich und meine Familie immer auf Mexiko als die schönste Zeit unseres Lebens zurück. Meine Frau und ich möchten noch einmal eine ähnliche Herausforderung und Bereicherung erleben und haben die Chance dazu genutzt.

In wenigen Wochen treten Sie die Stelle des stellvertretenden Schulleiters an der German European School in Manila auf den Philippinen an. Wie sehen Ihre Aufgaben dort aus?

Meine Hauptaufgabe wird die Qualitätsentwicklung sein. Deren Erfolg hängt sehr von der Arbeitszufriedenheit der Kollegen ab. Wichtig ist, dass sie die Maßnahmen als echte Verbesserungen erleben können. Viele „top-down“-Ansätze zur Entwicklung bleiben daher oft in einem bürokratischen Krampf stecken. Letztlich sieht man an der Entwicklung in Deutschland, dass die bürokratischen Verfahren des 19. Jahrhunderts eigentlich die pädagogischen Ziele des 21. konterkarieren. Dass das Progymnasium in Bad Buchau beispielsweise eine Höchstbewertung in der Reevaluierung bekam, lag eben auch daran, dass in dieser Schule die Prozesse zwischen allen am Schulleben Beteiligten noch die Qualität des menschlichen Miteinanders haben. Diese menschliche Nähe hat natürlich auch mit der Größe der Schule und der Identifikation der Lehrer mit ihrem Arbeitsplatz zu tun. Außerdem finde ich die Aufgabe sehr interessant, die Zusammenarbeit mit der französischen Partnerschule auf dem gemeinsamen „Eurocampus“ weiter auszubauen. Ich finde es fantastisch, dass man seine Partnerschule und „Klein-Frankreich“ hier in der Nähe hat; ich werde also nicht allein die Philippinen kennenlernen, sondern dazu noch Frankreich und die europäische Zusammenarbeit in der Bildungs- und Kulturpolitik.

Was denken Sie, wie wird sich der Schulalltag in Manila von dem in Bad Buchau unterscheiden?

Teilweise weniger, als man meinen könnte. Sogar das Selbstkonzept beider Schulen ist sehr ähnlich: eine sehr persönliche, fast familiäre Atmosphäre des Vertrauens in einer gemütlichen, überschaubaren Schule mit kleinen Klassen, in denen sich alle gut aufgehoben fühlen. Insgesamt sind Auslandsschulen den Inländern zehn Jahre voraus, dieser Zeitsprung ist auch ein reizvoller Aspekt der Arbeit. Anders wird sein: der Abiturzweig mit internationalem bilingualem Abitur, der weltweit übliche Charakter einer Gemeinschafts- und Ganztagsschule mit acht Stunden Unterricht am Tag, das umfassende Bildungskonzept von Kindergarten bis Abitur, das Schulschwimmbad, die 40 und mehr Nationalitäten an der Schule, die vier Schulsprachen (Englisch, Deutsch, Französisch, Tagalog), der sprachsensible Fachunterricht mit Schülern, die Deutsch nur unvollkommen beherrschen, neue Prüfungsformen, das internationale Kollegium, der riesige Schulverwaltungsapparat mit den vielen Bediensteten, der einflussreiche Schulvorstand. Erfreulich wird vielleicht auch der Mentalitätsunterschied sein. „Wozu braucht mer des?“ wird man vielleicht nicht so häufig hören, zumindest nicht auf Schwäbisch. À propos Schwäbisch: Da die relative Mehrheit der Lehrer an der DESM Schwaben sind, wird mir das gewohnte Idiom nicht fehlen.

Die German European School auf dem Eurocampus in Manila ist eine Privatschule. Stammen die Schüler damit alle aus der Oberschicht?

Die Schule ist nach ihrer Selbstdarstellung eine der fünf erfolgreichsten Schulen in Manila, sie ist aber auch für die schmale obere Mittelschicht bezahlbar. Für die Oberschicht, die sich ganz nach den USA orientiert, ist die Deutsche Europäische Schule Manila (DESM) nicht interessant. Die DESM sucht vor allem leistungsorientierte Schüler, sie will kein exklusiver Freizeitclub für die Reichen sein, die sich dort von den Deutschen mit Bildung bedienen lassen; das findet man häufiger in Lateinamerika, angeblich oft kombiniert mit einer Geldwaschanlage und profitablen Nebengeschäften, weniger in Asien. Natürlich spielt Geld eine Rolle, alles muss sich auch rechnen. Die Schule wird aber von Deutschland unterstützt und ist schon von daher auch zur „sozialen Offenheit“ verpflichtet.

Was gehört bei Ihnen unbedingt in den Reisekoffer?

Noli me tangere“ und „Die Rebellion“, die bekanntesten Romane José Rizals, des philippinischen Nationalhelden und ursprünglichen Namensgebers der Deutschen Schule in Manila.

Wie sehen die letzten Reisevorbereitungen aus?

Hausübergabe im Beisein von Mietern und Hausverwaltung, Besuche bei den Söhnen in Darmstadt und den Eltern und Geschwistern bei Mainz.

Auf was freuen Sie sich schon ganz besonders in Manila?

Alle die netten Menschen kennen zu lernen, die sich schon im Vorfeld darum gekümmert haben, dass wir gut ankommen und uns zurechtfinden. Auf ein kollegiales Arbeitsklima, auf die Gestaltungsmöglichkeiten, die in Deutschland bürokratisch versperrt werden. Natürlich auf den kulturellen Schmelztiegel Manila, in dem die verschiedenen Einflüsse ganz Asiens, aber auch die der USA und, in geringerem Maß, Europas zusammenfließen. Dabei ist die Megacity Manila ebenso wie Mexico City sehr ambivalent. Sie ist außer dem Schmelztiegel natürlich auch ein Moloch: ein identitätsloser Völker- und Sprachenwirrwarr, geprägt von ungebändigtem Kapitalismus, einem versagenden Staat und einer Mafia der Reichen, der das Los der Armen gleichgültig ist.

Und was werden Sie in Manila vermissen?

Außer meinen Eltern und Freunden werde ich das Kollegium in Bad Buchau vermissen und den kompetentesten Schulleiter, den ich je kennenlernen durfte, dazu den fähigsten und humorvollsten Hausmeister, zugleich Vorsitzender der Narrenzunft, und die versierteste Schulsekretärin, außerdem viele Schüler, die mir ans Herz gewachsen sind. Vielleicht auch die Sternstunden eines Fachunterrichts, bei dem man mit Zehntklässlern über Luthers „incurvatus in se ipsum“ anhand einer gemeinsamen Exegese des Römerbriefs diskutieren konnte und darüber, was das mit der „Judensau“ Wittenbergs und dem rassischen Antisemitismus zu tun hat. So etwas ist schon in Deutschland nur noch in seltenen Ausnahmefällen möglich. Bildung verkümmert in Deutschland leider immer weiter. Bildung ist vor allem handlungsorientierende Einsicht in fundierende werthaltige Sinnzusammenhänge, nicht allein Wissen oder gar bloße „Information“. Der desolate Zustand der Bildungspolitik ist ein Grund mehr, warum mir der Abschied doch nicht allzu schwer fällt.

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